
Die Krankheit Krebs kontrollieren
Hans Loibner ist CEO beim Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics. Im Gespräch berichtet der studierte Chemiker über die jüngsten Erfolge von Apeiron in der Krebstherapie und Wiens Vorzüge als Standort für die Lifescience- und Biotech-Branche.
- Wo liegen Ihrer Meinung nach die Pluspunkte von Wien als Life-Science-Standort?
Hans Loibner: Wien ist eine tolle Stadt. Das alleine ist schon mal ein sehr wichtiger Faktor für Menschen aus dem Ausland, die sich dafür entscheiden, hierher zu kommen. Zudem gibt es in Wien überdurchschnittlich gute Fördermaßnahmen, insbesondere für Startups.
- Derzeit hat man den Eindruck, dass die Wiener Life-Science-Branche besonders boomt. Sie selbst sind ja seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich im Biotech-Bereich tätig. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?
Nach zwei Jahrzehnten in der Forschung und Entwicklung bei einem großen Pharmaunternehmen in Wien bin ich seit 1999 in der Wiener Life-Science-Szene tätig und habe diese irgendwie von den Anfängen mitbegleiten und mitgestalten können. Das Biotechgeschäft gehört mit Sicherheit zu den besonders risikoreichen und auch oft mit Rückschlägen behafteten unternehmerischen Tätigkeiten. Für moderne und neuartige Therapie-Entwicklungen ist es eigentlich „normal“, dass sie häufig auch nicht erfolgreich sind. Das erklärt auch das Kommen und Gehen von Biotechunternehmen in Wien, und eigentlich auch weltweit.
- Was hat sich in den letzten zehn Jahren in Wien bzw. der Branche denn verändert?
Insgesamt kann sich die Wiener Szene sehen lassen. Es gibt meiner Meinung nach auch mehr Firmengründungen als früher – unterstützt durch gute, initiale Fördermaßnahmen von Stadt und Bund sowie risikobereite Investorinnen und Investoren. Am Wichtigsten sind meiner Ansicht nach aber Gründerinnen und Gründer sowie geeignete Mitarbeitende. Es ist schön zu sehen, dass es hier eine positive Entwicklung gibt.
- Weshalb hat sich Apeiron für den Standort Wien entschieden?
Apeiron wurde Ende 2003 von Professor Penninger gegründet, einem zum damaligen Zeitpunkt gerade erst wieder in Wien tätigen führenden österreichischen Genetiker. Wien war für ihn als Standort einfach naheliegend.
- Sie selbst sind 2005 zu Apeiron gekommen?
Genau. Ich habe das Unternehmen dann ab 2005 aufgebaut – und ich bin eben gebürtiger Wiener, mit viel Interesse an Internationalität.
- Wie entscheidend ist für Ihr Unternehmen also die Standortfrage?
Natürlich könnte Apeiron als Standort z. B. auch San-Diego wählen. Das wäre nicht zuletzt eine tolle Perspektive für mich persönlich, wo ich doch den Winter in Wien nicht so schätze. Prinzipiell kann man ein Unternehmen zwar woanders hinstellen, aber die Leute, die das Unternehmen ja eigentlich ausmachen, würden größtenteils nicht mitkommen.
- Im Vienna Biocenter errichtet die Wirtschaftsagentur Wien auf über 1.000 Quadratmetern mehr als 70 flexible Startup Labs, die ab 2019 zur Verfügung stehen. Mit welchen Impulsen rechnen Sie hierdurch für die gesamte Branche? Wie wichtig sind Startups im Life-Science-Bereich?
Das ist einfach: Jeder Impuls für Startups ist für die Branche wichtig, weil Startups für eine erfolgreiche Life-Science Szene essenziell sind.
- Das von Apeiron entwickelte Medikament dinutuximab beta gegen das Neuroblastom – eine der häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen bei Kindern – wurde im vergangenen Jahr von den EU-Behörden für die Behandlung zugelassen. Wie bedeutend ist dieser Erfolg für Ihr Unternehmen und die Neuroblastom-Therapie an sich?
Die Marktzulassung in der Europäischen Union ist der bisher größte Erfolg in der Geschichte von Apeiron. In den letzten Jahren gab es europaweit nur ganz wenige Biotech-Unternehmen von vergleichbarer Größe bzw. Kleinheit, die eine Marktzulassung eines Produktes in der EU mit eigenen Kräften geschafft haben. Aber noch wichtiger als dieser firmenstrategische und natürlich auch kommerzielle Erfolg ist die Bedeutung für Neuroblastompatientinnen und -patienten sowie ihre Familien: Mit dinutuximab beta steht jetzt in Europa die einzige Immuntherapie des Hochrisiko-Neuroblastoms zur Verfügung. Das Produkt verbessert die Ergebnisse bei der Behandlung dieser sehr schweren, frühkindlichen Krebserkrankung signifikant und nachhaltig.
- Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen bei der Arzneimittelentwicklung?
Da könnte man eine sehr lange Liste machen. Medikamentenentwicklung gehört zum Komplexesten, was sich Menschen so ausgedacht haben. Wenn ich zwei Schlüssel-Herausforderungen nennen soll: Die erste Herausforderung ist, dass das erhoffte bzw. designte Produkt überhaupt eine hinreichende, medizinisch sinnvolle Wirkung hat. Das kommt leider erst oft sehr spät heraus, nach jahrelanger Arbeit und dem Einsatz von riesigen Ressourcen. Eine weitere Schwierigkeit ist das Überwinden der unglaublich vielen Hürden bzw. Regularien, die sich die Menschheit selber gesetzt hat – an sich in der guten Absicht, Patientinnen und Patienten zu schützen. Diese Rahmenbedingungen erschweren, verlangsamen, verteuern aber diese ohnedies so komplexen Entwicklungen und sind aus meiner Sicht manchmal auch ethisch problematisch, wenn es etwa um den Kampf gegen lebensbedrohende Erkrankungen wie Krebs geht.
- Derzeit forscht Ihr Unternehmen unter anderem an einer neuen, speziellen Immuntherapie gegen Krebs. Wie aufwendig ist diese Forschung und mit welchen Ergebnissen rechnen Sie?
Jede neue innovative Forschung und insbesondere Entwicklung ist aufwändig und herausfordernd, da man ständig Neuland betritt. Unsere Immuntherapie APN401 ist weltweit einzigartig. Das bedeutet, wir können uns nirgendwo orientieren. Die meisten unserer Schritte sind eine Kombination aus Mut, Innovation und Risiko. Eine spannende Herausforderung. Wir würden das nicht machen, wenn wir nicht mit tollen Ergebnissen rechnen würden: Dem Immunsystem so zu helfen, dass es gegen viele Krebsarten und Krebsstadien so aktiviert werden kann, dass es solche Erkrankungen kontrollieren kann. Und das ohne größere Nebenwirkungen.
- Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen würden: Wie wird Ihrer Einschätzung nach Krebstherapie im Jahr 2050 aussehen?
2050 wird wohl nach mir sein. Aber vielleicht habe ich ja ein Stück weit mitgeholfen: Krebstherapie wird in der Zukunft weniger eine Therapie GEGEN Krebs, sondern eine FÜR das Immunsystem sein. Das Immunsystem ist für mich der Schlüssel zur Beherrschung dieses komplexen Phänomens, das wir so einfach Krebs nennen.
Leistungen der Wirtschaftsagentur Wien
- gefördert im Programm BEFOR Call 2003
- gefördert im Programm CoOperateEnlarged 2008
- gefördert im Programm Patients in Focus 2009
- gefördert im Programm TRANSKOOP WIEN
- gefördert im Programm FemPower 2012
Unternehmen
APEIRON Biologics AG
Campus-Vienna-Biocenter 5
1030 Wien
https://www.apeiron-biologics.com/
Stand: April 2018