Der Verein "Design für Gesellschaft" (c) Johanna Pichlbauer
Design in Gesellschaft: Ein Labor für nachhaltiges Miteinander
Im verwunschenen Hof der Engerthstraße 124 erschafft der Verein Design in Gesellschaft aus einer alten Tischlerwerkstatt eine „Zukunftswerkstatt“, die zeigen soll, wie Design zur Entwicklung lebenswerter Zukünfte beitragen kann und die Vernetzung, „dreckiges Arbeiten“ und Ausstellungen ermöglicht. Das gleichnamige Projekt Design in Gesellschaft wurde beim Wettbewerb Creatives for Vienna 2021 ausgezeichnet. Im Interview spricht Vereinsobfrau Johanna Pichlbauer über die Zugänge des Teams.
Wir − 11 Industriedesign-Absolvent*innen der Univ. für Angewandte Kunst – haben uns zusammengeschlossen, um in guter Gesellschaft an Design zu arbeiten, das uns als Gesellschaft weiterbringt. Dazu haben wir einen Verein gegründet und einen Ort gefunden, wo wir mit verschiedenen Arten der Zusammenarbeit experimentieren, mit Ausstellungen, Residency-Formaten und, Werkstattbetrieb. Wir wollen zeigen, was Design leisten kann, wenn es sich ausbreiten darf, wenn sich spontan Kollektive bilden und wieder auflösen, wenn die Nachbarschaft mitmachen darf – ein Labor für nachhaltiges Miteinander.
(c) Catherine Hu
Mit Ihrem Projekt schaffen Sie in der Engerthstraße 124 im 20. Bezirk einen Ort, der als Werkstatt als auch als Raum für Ausstellungen und Vernetzung dient. Wie genau kann man sich das vorstellen? Und wie kamen Sie auf die Location?
Von der multifunktionalen Halle für Ausstellungen, Vorträge und Workshops bis zum lauschigen Hof gibt es Platz und Gelegenheit für Austausch sowohl im informellen als auch im professionellen Setting. Unsere unterschiedlichen Arbeitsweisen und Themengebiete versprechen eine sehr abwechslungsreiche Bespielung der Räumlichkeiten, wovon wir alle profitieren können.
Beim Location-Scouting sowie bei rechtlichen Fragen half uns Uli Fries und das Team der Kreativen Räume Wien – danke dafür! Im 20. Bezirk tut sich gerade viel, und es ist jeden Tag eine Freude, durch den Bezirk zu unserem Hof zu radeln, neue Entwürfe des Zusammenlebens, der Grätzlgemeinschaft zu sehen, dazu die nahe Donau zur Erfrischung – was für ein Glück!
Sie erarbeiten Ihr Projekt in einem Kollektiv und haben unterschiedliche Hintergründe. Worin liegen für Sie die Vorteile und Herausforderungen an diesem Ansatz?
Jede/r bringt Ideen und Erwartungen an diesen neuen Ort mit – so liegen die Vorteile auf der Hand – 11 Designer*innen haben mehr Ideen als 1 Designer*in, und zu elft ist so eine alte Tischlerei auch schnell ausgemalt. Die Herausforderung ist natürlich, in diesem Entstehungsprozess alle zu Wort kommen zu lassen, jedes Veto ernst zu nehmen und dabei trotzdem in Bewegung zu bleiben. Die verschiedenen Interessensgebiete sehen wir als große Chance – sie erweitern unser gemeinsames Portfolio an Möglichkeiten und demonstrieren die Vielfalt an Arten, wie Design gesellschaftlich relevant sein kann.
Welchen Stellenwert hat der Gemeinschaftsgedanke für Ihre Arbeit als Industriedesignerin und warum?
In wie starkem Maße wir global voneinander abhängig sind, wurde uns in den letzten eineinhalb Jahren drastisch demonstriert. Als Designer*innen, die ja meist für eine Gemeinschaft designen – sei es eine Stadt, eine Wohnung, ein Markt – können wir nur davon profitieren, uns auch in unserem Arbeitsalltag nicht zu isolieren. Uns Kritik aussetzen, einander inspirieren und herausfordern, mit Neuem konfrontieren – uns im Kollektiv üben.
Was hat sich in Ihrer Arbeit seit Beginn der Pandemie verändert?
Das gemeinsame Arbeiten war kaum möglich. Für jene von uns, die die Werkstätten brauchen, intensive Gespräche mit Gleichgesinnten, Museumsbetrieb, Publikum, Partizipation, war es eine isolierende Zeit. Das hat aber auch zu neuen Methoden geführt, zur Pflege neuer Fertigkeiten und zu Projekten, die sich dem Druck der Deadline entziehen.
Wie kann unsere Gemeinschaft mithilfe von Design gestärkt werden? Und wohin sollte sie sich, vor dem Hintergrund der Pandemie-Erfahrungen, entwickeln?
Wir mussten einsehen, dass der Alltag, wie wir ihn kennen, auf diesem Planeten nicht nachhaltig ist; dass sich etwas verändert und diese Veränderung schon längst begonnen hat. Wenn das Gewohnte wegfällt, führt das zu großer Verunsicherung: Wie ein neuer Alltag aussehen kann, ist schwer vorstellbar. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diesen Ängsten Ideen entgegenzusetzen, und zwar in einer Form, die alle Sinne anspricht – und in einer Vielfalt, die klarmacht, dass die Lösung im Kollektiv liegt. Immer mehr stellt sich auch die Frage danach, wem diese Ideen gehören. Es wird einen Wandel brauchen von Patent, Konkurrenz, Monopol hin zu Commons, Kollektiv und der gleichzeitigen Existenz verschiedener Lösungsansätze.
Design in Gesellschaft ist der Zusammenschluss folgender 11 Industriedesign-Absolvent*innen der Univ. für Angewandte Kunst:
Franz Ehn Sophie Falkeis Stephanie Kneissl Philipp Loidolt-Shen Mia Meusburger Peter Paulhart Kerstin Pfleger Johanna Pichlbauer Isabel Prade Julia Schwarz Christoph Wimmer-Ruelland